
Hot and High – erhöhte Luftfahrtrisiken in großen Höhen an heißen Tagen
March 21, 2024
Von Matthias Amschwand
Head of Aerospace, Switzerland, AXA XL
Als Berufspilot und Fluglehrer freue ich mich immer darauf, den Schweizer Flughafen im Engadin anzufliegen und von dort abzuheben. Mit einer Höhe von 1.707 m/5.600 ft über dem Meeresspiegel ist er der höchstgelegene Flughafen Europas. Mitten in den Schweizer Alpen gelegen und umgeben von atemberaubenden Berggipfeln ist er einer der schönsten Flugplätze der Welt. Als Tor zu beliebten Urlaubszielen wie St. Moritz, Pontresina und dem Schweizer Nationalpark kann der Engadin Airport eine Vielzahl von Flugzeugen abfertigen, darunter Sportflugzeuge, Jets, Helikopter und Segelflugzeuge.
Andererseits bin ich mir der besonderen Risiken bewusst, die mit dem Fliegen in dieser Gebirgsregion verbunden sind, insbesondere der Möglichkeit von "Hot and High"-Bedingungen. Diese treten auf, wenn ein Flugzeug an heißen Tagen zusätzliche Leistung benötigt, um in großer Höhe in der Luft zu bleiben. Wenn die Leistung nicht ausreicht oder der Pilot diese Bedingungen nicht einkalkuliert hat, kann das Flugzeug ins Trudeln geraten und abstürzen.
Das Schweizer Käse-Modell
Warum stürzt ein Flugzeug ab? Diese Frage stelle ich mir als Pilot jedes Mal, wenn ich von einem Unfall höre. Was hat zum Absturz geführt? Und was ist in den letzten Momenten passiert?
Darauf gibt es selten eine eindeutige Antwort, da Unfälle in der Regel nicht auf einen einzigen Faktor zurückzuführen sind. Vielmehr treten sie zumeist dann auf, wenn eine Kette von Ereignissen schiefläuft, ohne dass es wirksame Sicherheitsmaßnahmen zu deren Verhinderung gibt.
In Luftfahrtkreisen wird diese Kette als Schweizer-Käse-Modell bezeichnet, bei dem jede Scheibe eine Sicherheitsbarriere darstellt. Allerdings ist keine davon hundertprozentig sicher; wie ein Schweizer Käse hat auch jeder dieser Barrieren Löcher.
Eine gefährliche Situation, die von der ersten Sicherheitsbarriere nicht erfasst wird, sollte durch die nächste oder die folgenden Barrieren entschärft werden. In den seltenen Fällen jedoch, in denen die Löcher (metaphorisch) genau übereinanderliegen und die Gefahr nicht verhindert oder aufgehalten werden kann, sind Schäden oder Unfälle unvermeidlich.
Zu den Sicherheitsfaktoren gehören Parameter wie Flugzeugwartung, Wetter- und Sichtverhältnisse, Gesundheit des Piloten, Flugplanung und taktik sowie die Einhaltung von Checklisten und Standardverfahren. Darüber hinaus sind sich Piloten der Risiken bewusst, die mit dem Fliegen und der sicheren Landung eines komplexen Flugzeugs verbunden sind. Daher sind sie in der Regel sehr umsichtig und achten auf ihr Flugzeug, ihre körperliche Verfassung sowie ihre Umgebung. Wie das Sprichwort sagt: „Es gibt alte Piloten und mutige Piloten, aber es gibt keine alten mutigen Piloten.“
Obwohl Unfälle in der Luftfahrt glücklicherweise selten sind, kommt es im Sommer bei klarem Himmel und hohen Temperaturen zu einer Häufung von Unfällen. Das liegt zum Teil daran, dass in der Hauptreisezeit mehr geflogen wird. Aber das allein kann die Häufung nicht erklären. Woran liegt es also, dass in den heißen Monaten Flugzeuge vermehrt vom Himmel fallen?
Um diese Frage zu beantworten, müssen wir in die Grundlagen der Physik eintauchen.
Auftrieb, Luftdruck und Temperatur
Ein Flugzeug hebt ab, wenn der Wind, der über und unter den festen oder rotierenden (Hubschrauber) Flügeln weht, einen Auftrieb erzeugt, der mindestens dem Gewicht des Flugzeugs entspricht. Ist der Auftrieb zu gering, sinkt das Flugzeug und schlägt schließlich auf Land oder Wasser auf.
Einige wesentliche Faktoren sind für den Auftrieb ausschlaggebend: Die Dichte der Luft (ρ), die Geschwindigkeit (v) der an den Flügeln vorbeiströmenden Luft, die Fläche der Flügel (A) und ein sogenannter Auftriebskoeffizient (CL), der die Form des Flügels und den Anstellwinkel (α) beschreibt.
Die Gleichung zur Berechnung des Auftriebs lautet: L = ½ ρv2 Ac¬L
Für das Verständnis des Phänomens „heiß und hoch“ sind zwei Variablen entscheidend. Die erste ist die Luftdichte, d.h. wie „dick“ oder „dünn“ die Luft ist. Sie wird im Wesentlichen von zwei Faktoren bestimmt: Luftdruck und Temperatur. Die grundlegende Physik besagt, dass die Dichte zunimmt, wenn der Druck steigt. Und andersherum. Bei der Temperatur ist es umgekehrt: Steigt die Temperatur, sinkt die Dichte. Und auch dies gilt in umgekehrter Richtung.
Ist der Winkel zu klein, wird zu wenig Auftrieb für den Flug erzeugt. Ist er zu groß, kann die Luftströmung der Profilform nicht folgen und es kommt zu einem Strömungsabriss, der den Auftrieb vernichtet und das Flugzeug absacken lässt.
Daraus folgt:
- Wenn die Luftdichte abnimmt, muss ein Flugzeug schneller oder in einem steileren Winkel fliegen, um die gleiche Menge Auftrieb zu erzeugen.
- Wenn die Luftdichte zunimmt, muss ein Flugzeug langsamer fliegen oder den Anstellwinkel verringern, um die gleiche Menge Auftrieb zu erzeugen.
„Wir verfügen über ein hervorragendes Underwriting-Team, das unseren Kunden als kompetenter Partner zur Seite steht und sie bei der Bewältigung ihrer Risiken unterstützt.“
Dichtehöhe
Damit wird hoffentlich nachvollziehbar, dass – ähnlich einer Besteigung des Mount Everest – eine geringere Luftdichte die Leistung eines Flugzeugs erheblich beeinträchtigt, wobei die tatsächliche Luftdichte in erster Linie von Luftdruck und Temperatur bestimmt wird.
In der Praxis bedeutet dies, dass ein Flugzeug an einem heißen Sommertag in einer bestimmten Höhe in weniger dichter Luft schneller oder mit einem größeren Anstellwinkel fliegen muss als an einem kalten Wintertag. Das erfordert mehr Schub. Wenn der Pilot jedoch nicht erkennt, dass die Umgebungsbedingungen eine Anpassung erfordern, oder wenn der unter diesen Bedingungen erforderliche Schub die Grenzen des Triebwerks überschreitet, kann es zu einem „Hot and High“-Unfall kommen.
Um dieses Risiko zu begrenzen, wird den Piloten beigebracht, die so genannte „Dichtehöhe“ zu berechnen. Sie ist ein Maß für die angezeigte Höhe, korrigiert um Temperatur und Druck, und gibt dem Piloten eine Vorstellung davon, wie sich das Flugzeug „fühlt und verhält“. Ein Temperaturanstieg bei gleichzeitigem Druckabfall führt zu einer höheren Dichtehöhe.
Stellen Sie sich zum Beispiel einen Helikopter vor, der versucht, auf seiner maximalen Flughöhe von 3.050m/10.000ft zu schweben. An einem heißen Sommertag, an dem die Lufttemperatur 25°C/77°F überschreiten kann, verringert sich die Leistungsgrenze des Hubschraubers um ca. 30%!
Drei Fragen
An dieser Stelle drängen sich drei Fragen auf: Wirkt sich das auf die Versicherung aus? Gibt es ein Instrument, das die Dichtehöhe berechnet und die Piloten vor potenziell gefährlichen Bedingungen warnt? Und wird der Klimawandel das Risiko erhöhen?
Die Antworten lauten „nicht unbedingt“, „ja, aber“ und „zu früh, um das mit Sicherheit zu sagen“.
Da ich auch Luftfahrt-Underwriter bin, werde ich oft nach den versicherungstechnischen Auswirkungen von "Hot and High"-Risiken gefragt. Meine Antwort: Zurzeit sind sie relativ gering. Aufgrund des gebirgigen Geländes der Schweiz ist das Bewusstsein für "Hot and High"-Schäden sehr ausgeprägt, und solche Vorfälle spiegeln sich in der allgemeinen Marktentwicklung wider. Dennoch sind der Zustand des Flugzeugs, sein Verwendungszweck sowie die Ausbildung und Erfahrung des Piloten die wichtigsten Faktoren bei unserem Underwriting-Prozess und unseren Prämienentscheidungen.
Hierzu Thisiani G Matsumura Martins, Global Chief Underwriting Officer-Aerospace bei AXA XL: „Wir verfügen über ein hervorragendes Underwriting-Team, das unseren Kunden als kompetenter Partner zur Seite steht und sie bei der Bewältigung ihrer Risiken unterstützt.“
Es gibt zwar einige Instrumente zur Berechnung der Dichtehöhe auf dem Markt, aber sie sind nicht weit verbreitet. Dies liegt zum Teil daran, dass viele Sportflugzeuge in Betrieb genommen wurden, bevor solche Hilfsmittel verfügbar waren. Außerdem stellen „Hot and High“-Bedingungen in vielen Teilen der Welt kein großes Risiko dar. Stattdessen lernen neue Piloten die Berechnung der Dichtehöhe während der Flugausbildung – je nach Region mehr oder weniger ausgeprägt – und die meisten haben auch eine Tabelle zur Berechnung der Dichtehöhe in ihrem Pilotenkoffer.
Und: Es ist „zu früh, um etwas zu sagen“, da es – unter Berücksichtigung des Schweizer Käse-Modells – schwierig ist, den „Hot and High“-Faktor zu isolieren, um statistisch valide Aussagen über die zeitliche Entwicklung dieses Risikos zu machen. Es erscheint jedoch plausibel, dass dieses Risiko mit zunehmender Anzahl außergewöhnlich heißer Tage ansteigt. Daher werden wir weiterhin mit unseren Luftfahrtkunden zusammenarbeiten, um ihnen ein besseres Verständnis dafür zu vermitteln, wie sie potenziell gefährliche „Hot and High“-Bedingungen vermeiden können.
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