
Erweiterte Rückrufkostendeckungen
November 19, 2018
Von Markus Michnick
Underwriting Manager, Corporate & Commercial Germany South, International Casualty bei XL Catlin, É«¶à¶àÊÓÆµDivision
Erstveröffentlichung: Die VersicherungsPraxis, Ausgabe 11-2018
Nachrichten über Rückrufaktionen sind heute keine Seltenheit. Ursachen und Auslöser hierfür sind vielfältig: Verunreinigungen, Keime oder Allergieauslöser in Nahrungsmitteln, verschluckbare Kleinteile in Spielzeugen oder Entflammbarkeit bzw. Explosionsgefahr bei Elektronikartikeln erregen immer wieder Aufsehen. Spätestens seit dem Dieselskandal sind auch Rückrufe in der Automobilindustrie im Fokus der öffentlichen Wahrnehmung angekommen. Die finanziellen Auswirkungen auf das betroffene Unternehmen können dabei enorm sein. Der größte Teil der Rückrufaktionen betrifft fehlerhafte Einzelkomponenten, die die Verkehrssicherheit gefährden könnten.
Bei sicherheitsrelevanten Mängeln besteht eine Verpflichtung zum Rückruf, um drohende Personenschäden zu vermeiden, doch nicht selten entscheiden sich Autobauer auch aus Kulanzgründen für Rückrufe. Nach Berechnungen des Center of Automotive Management (CAM), das seit 2005 die Rückruf-Trends der Automobilbranche analysiert, haben Autobauer seit 2009 jährlich mehr Autos zurückgerufen als sie verkauft haben (Prof. Dr. Stefan Bratzel, Automotive Performance 2017/18: Die Rückruf-Trends der globalen Automobilhersteller im Jahr 2017, Center of Automotive Management, 2018). Gemäß der Studie lag die Rückrufquote, also das Verhältnis zwischen Rückrufen und Neuzulassungen bezogen auf den Referenzmarkt USA letztes Jahr bei 147 Prozent. Besonders seit den
Berichten über fehlerhafte Airbags und defekte Zündschlösser in 2014 scheint die Sensibilität für Qualitätsmängel in der Branche stark gestiegen zu sein.
Aus unserer Sicht ergibt sich aus KFZ-Rückrufen heute nicht mehr zwingend ein Imageschaden, sofern sie nicht erst durch öffentlichen Druck oder als Reaktion auf Medienberichterstattung erfolgen. Das Vertrauen in die Marke kann gar noch steigen, wenn die Kunden überzeugt sind, die Produktqualität sowie ihre eigene Sicherheit und Zufriedenheit als Kunden stehe bei den Unternehmen an erster Stelle.
Ein wichtiger Treiber für steigende Rückrufzahlen ist in der Gleichteile- und Plattformstrategie bei der KFZ-Produktion zu finden. Diese bringt zunächst eine Reihe von Vorteilen bezogen auf Effizienz und Produktionskosten. Allerdings sind die Auswirkungen im Falle von notwendigen Rückrufaktionen über Fahrzeugtypen und Märkte hinweg umso größer.
Somit können einzelne fehlerhafte Bauteile gleich mehrere Modellreihen verschiedener KFZ-Hersteller betreffen, die teilweise global abgesetzt wurden, so dass der Aufwand der Rückrufaktion und somit die Schadenhöhen enorm gestiegen sind.
Für KFZ-Rückrufe sind zahlreiche Versicherungslösungen verschiedener Anbieter erhältlich. Allerdings sind bei den meisten verfügbaren Produkten einige Schlüsselelemente nicht berücksichtigt, die für Zulieferer im Schadenfalle enorme Auswirkungen haben können, wenn sie – wie marktüblich – Gewährleistungsvereinbarungen mit den KFZ-Herstellern abgeschlossen haben.
Hierbei handelt es sich unter anderem um die Herstellungskosten des Zulieferers, der ja die gesamte Charge/Serie in fehlerfreiem Zustand neu produzieren muss. Diese setzen sich unter anderem zusammen aus den Materialeinzelkosten, Materialgemeinkosten, Fertigungslöhnen, Rüst- und Maschinenkosten.Auch Ansprüche der Autobauer, wie z.B. Bearbeitungs- und Abwicklungskosten und Kosten, die den Endkunden im Zusammenhang mit der Behebung der Mängel vergütet wurden, sind in den meisten Standard-Deckungen ausgeschlossen. Zu letzteren gehören beispielsweise Hotelkosten, Rückführungskosten und Kosten für Ersatzfahrzeuge während der Aktion.
Da sich die Geschäftsmodelle und Produkte der verschiedenen Zulieferer stark voneinander unterscheiden, können Standardprodukte hier kaum helfen. Für einen Getriebehersteller, der beispielsweise 10.000 hochpreisige Getriebe eines bestimmten Typs verkauft hat, ist eine Absicherung seiner Herstellkosten für die Nachproduktion von größter Wichtigkeit. Für einen Schraubenhersteller hingegen mag die Ersatzproduktion einer einzelnen mangelhaften Produktionscharge selbst finanziell weniger stark ins Gewicht fallen. Eine hohe Verbreitung seines Produkts sorgt jedoch für hohe Aufwendungen mit Blick auf nahezu alle sonstigen Kosten im Zusammenhang mit dem Rückruf.
Diese beiden Beispiele sollen veranschaulichen, wie unterschiedlich die Risiken der verschiedenen Anbieter und somit ihre Bedürfnisse als Versicherungsnehmer sein können. Um den optimalen Schutz für das jeweilige Unternehmen zu entwerfen, müssen wir als Versicherer die spezifischen Risikoszenarien in der Tiefe verstehen, da eine mangelnde Absicherung im Falle eines großen Schadens die Existenz eines Zulieferers bedrohen kann.
Wir bei É«¶à¶àÊÓÆµbinden aus diesem Grunde frühzeitig unsere Risikoingenieure in die Diskussion mit unseren Kunden ein. Dem so herausgearbeiteten, individuellen Risikoprofil des Versicherungsnehmers können wir mit unserem modular aktivierbaren Versicherungsschutz der erweiterten Rückrufkostenversicherung eine passgenaue Deckung gegenüberstellen.
Wir gehen davon aus, dass der Innovationstrend der letzten Jahre in der KFZ-Industrie weiter anhält. Die in den Fahrzeugen verbauten Komponenten werden weiter an Zahl und Komplexität zunehmen und eine Abkehr von der Gleichteile- und Plattformstrategie ist kaum zu erwarten. Somit werden sich auch die Risiken für die Zulieferindustrie weiter erhöhen.
Durch die zunehmende Autonomisierung von Fahrzeugen ergeben sich ganz neue Risikoszenarien, für die wir als Versicherer frühzeitig die richtigen Deckungskonzepte entwickeln müssen.
Daher sind wir als É«¶à¶àÊÓÆµeine mehrjährige, globale und exklusive Partnerschaft mit Oxbotica, einem der weltweit führenden Autonomieunternehmen, und dem Konsortium DRIVEN eingegangen, um tiefe Einblicke in die sich rasant entwickelnde Technologie zu gewinnen. Dies soll uns dabei helfen, frühzeitig relevante Deckungskonzepte für unsere Kunden in einer autonomen Welt zu entwickeln. DRIVEN hat bereits im April dieses Jahres zum ersten Mal öffentlich die Fähigkeit seiner Flotte autonomer Fahrzeuge in England vorgeführt. Hier hat sich die Interaktion und Kommunikation der Fahrzeuge untereinander schon erfolgreich gezeigt. Anhand weiterer Tests wird nun ein Risikobewertungstool entworfen, um Nutzern zu helfen den richtigen Grad an Autonomie sowie die Geschwindigkeit unter diversen Fahrbedingungen besser einzuschätzen zu können.
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