
Die Wichtigkeit der Provenienz für den Wert von Kunst- und Sammlungsobjekten
March 22, 2017
Von Yannick Daucourt, Regional Manager Fine Art & Specie, EMEA und Peter Meili, Senior Underwriter, Fine Art & Specie, AXA XL
Kurz nach Elizabeth Taylors Tod im Jahr 2011 wurden ihre Schmucksammlung sowie einige ihrer Kleidungsstücke, dekorativen Kunstobjekte und filmischen Erinnerungsstücke versteigert. Alle Stücke wurden verkauft und ihr Nachlass brachte einen Erlös von 103 Millionen Pfund ein – weit mehr als zuvor geschätzt. Einige Monate später wurde ihre Kunstsammlung mit Werken von Van Gogh, Degas und Pissarro für 13,8 Millionen Pfund veräußert. Dies war mehr als das Doppelte des vorab geschätzten Verkaufserlöses.
Willige Käufer
Wie wird der Wert von Kunst oder Kunstgegenständen bestimmt?
„Es ist der Preis, den eine am Kauf interessierte Person an eine am Verkauf interessierte Person im Rahmen eines freien und unbelasteten Rechtsgeschäfts zahlt.“ Dies ist die Antwort aus dem Lehrbuch. Und dies ist in der Regel auch die Sichtweise der Versicherer bei der Bestimmung des Wertes von Kunst und Wertgegenständen.
Wie viel ein Käufer zu zahlen bereit ist, hängt von vielen Faktoren ab – ob das Objekt nun bei einer Versteigerung, in einer Galerie oder direkt beim Künstler erworben wird.
Bei Kunst und dekorativer Kunst wird die Wertbestimmung erheblich vom Ruf des Künstlers und der jüngeren Verkaufshistorie beeinflusst. Bei Schmuck und anderen Kunstgegenständen ist das verarbeitete Material ausschlaggebend: das Gewicht des Edelmetalls beispielsweise oder die Größe und Beschaffenheit der Edelsteine. Auch die Marke kann eine Rolle spielen: so kann sich der Wert zweier ansonsten identischer Diamantringe allein aufgrund des Prestiges der Marke, der sie entstammen, erheblich unterscheiden. Und bei Sammlerstücken ist meist die historische oder kulturelle Bedeutung maßgeblich dafür, wie begehrt ein Objekt ist.
Die Bedeutung der Provenienz
Auch die Provenienz eines Objekts kann – teilweise sogar erheblichen – Einfluss darauf haben, wie viel ein Käufer zu zahlen bereit ist.
Die Provenienz ist die Chronologie der früheren Besitz- und Obhutsverhältnisse sowie der Orte, an denen sich das Objekt jeweils zuvor befand. Während dieses Konzept beispielsweise auch in der Archäologie von Bedeutung ist, dienen Provenienzunterlagen für Kunst und Kunstgegenstände als Nachweis für die Echtheit eines Objekts und als Beleg dafür, dass es nicht gestohlen oder verändert wurde. Diese Unterlagen können ferner Anhaltspunkte liefern, die die Bedeutung eines Objekts im geschichtlichen Verlauf untermauern, insbesondere wenn die Dokumente die Besitzerhistorie und die Orte umfassen, an denen sich das Objekt befand. Kunst oder Kunstgegenstände mit begehrter Provenienz wechseln oft zu einem deutlich höheren Preis den Besitzer als solche, deren Herkunft und Geschichte nicht entsprechend belegt ist.
Die Provenienzunterlagen reichen dabei vom einfachen, auf der Rückseite eines Bildes angebrachten „Echtheitszertifikat“ über Fachabhandlungen mit detaillierten historischen Verweisen bis hin zu den Ergebnissen wissenschaftlicher Forschungen.
Hierbei hat die Provenienz zudem zwei Dimensionen: Art und Qualität. Und beide können bei der Bewertung und den Erlösen einen erheblichen Unterschied ausmachen.
Objekte mit außergewöhnlicher Vorgeschichte oder berühmten Vorbesitzern werden häufig höher bewertet. Auch bei Werken, die im Rahmen großer Museumsausstellungen gezeigt wurden und Teil der Ausstellungskataloge waren, liegt der Wert höher, da dies die Legitimität des Kunstwerks und seine Bedeutung im Gesamtwerk des Künstlers untermauert.
Zurück zu Elizabeth Taylor: Die vielen Fotos von ihr, auf denen sie die verschiedenen Schmuckstücke trägt, sind ein klarer Beleg dafür, dass sie die Besitzerin dieses Schmucks war und ihr großes Ansehen trug ganz offensichtlich dazu bei, dass interessierte Käufer bereit waren, einen Mehrpreis für den Schmuck zu bezahlen.
Ungeachtet dessen machte der Käufer eines ihrer berühmtesten Stücke den Kauf im Nachhinein rückgängig, da nicht eindeutig nachgewiesen werden konnte, dass es sich einst tatsächlich im Besitz eines Großmoguls befunden hatte. In diesem anschaulichen Fall trug die Tatsache, dass Elizabeth Taylor das Stück besessen hatte, zur Steigerung seines Wertes bei, während Unklarheiten hinsichtlich weiterer Vorbesitzer den gegenteiligen Effekt mit sich brachten.
Jedes Bild erzählt eine Geschichte, oder nicht?
Angesichts der Auswirkungen, die die Provenienz auf die Bewertung eines Objekts haben kann, überrascht es nicht, dass skrupellose Händler manchmal viel Aufwand betreiben, um entsprechende Nachweise zu fingieren. Dies gilt insbesondere für Fälschungen, die als Werke berühmter Künstler verkauft werden sollen.
Zwischen 1994 und 2008 verkaufte die Knoedler Gallery in New York rund 40 Bilder, die berühmten Künstlern der Nachkriegszeit wie Mark Rothko, Jackson Pollock und Willem de Kooning zugeschrieben wurden. Knoedler war zu diesem Zeitpunkt die älteste und renommierteste Galerie der Stadt. Die besagten Bilder stammten angeblich aus der Sammlung eines mysteriösen Schweizer Sammlers, der sich einfach „Mr. X“ nannte. Zu den Käufern gehörten Wall Street-Größen und der Vorstand des Auktionshauses Sotheby's.
In Wirklichkeit waren die Bilder jedoch von einem unbekannten chinesischen Künstler in einer Garage in Queens gemalt worden. Die Sache flog auf, als dem Käufer eines großen Bildes, das von Rothko stammen sollte, Zweifel an den von der Galerie bereitgestellten Provenienzunterlagen kamen. Daraufhin stellte sich heraus, dass keiner der Kunstexperten, die das Bild vermeintlich für echt befunden hatten, der Galerie die Benutzung ihrer Namen gestattet hatten. Zu diesen gehörte auch Christopher, der Sohn des Künstlers. Tatsächlich sagte Christopher Rothko vor Gericht aus, dass er „niemals“ Bescheinigungen über die Echtheit der Bilder seines Vaters ausstelle.
Alan Bamberger, Kunstberater und Kunstsachverständiger aus San Francisco und Autor des Buches The Art of Buying Art, erklärt, dass man „niemals ein Gebot für ein Kunstwerk abgeben oder ein Kunstwerk kaufen sollte, ohne zuvor dessen Provenienz gesehen zu haben.“ Weiter betont er, dass alle bereitgestellten Informationen von unabhängiger Stelle geprüft und bestätigt werden sollten. Lücken in der Nachweiskette sollte nachgegangen und Expertenmeinungen sollten mit entsprechenden Belegen untermauert werden. Wie Bamberger anmerkt: „Provenienz ist ein Fakt, keine Vermutung.“
Bamberger mahnt Käufer zudem, bei Online-Versteigerungen, bei denen der Verkäufer dem Meistbietenden erst nach der Zuschlagserteilung die Provenienz zur Verfügung stellt, besonders vorsichtig zu sein. „Wenn Sie keine Einsicht [in die Provenienz] bekommen, bieten Sie nicht mit und kaufen Sie nicht. Punkt.“ Möchte der Verkäufer im Vorfeld keine Einsicht in die Provenienz gewähren, bedeute dies nach seiner Erfahrung, dass etwas mit dem Stück nicht stimme.
Begrenzung der Risiken
Der Erwerb und der Besitz von Kunst und Kunstgegenständen kann sehr viel Freude bereiten. Treffen wir auf ein Objekt, das uns anspricht, kann dies eine starke emotionale Reaktion auslösen und diese Gefühle können wachsen und sich verstärken, sobald das Stück Teil unserer täglichen Lebenswelt ist.
Provenienz und Bekanntheit
Die letzten Monate haben eindrucksvoll gezeigt, wie der Wert von Objekten mit begehrter Provenienz in die Höhe schnellen kann.
Zunächst einmal war da die aus 87 Rädern bestehende Fahrradsammlung von Robin Williams. Als passionierter Fahrradfahrer hatte Williams eine beeindruckende Sammlung an Fabrikaten und Modellen zusammengetragen. Die Erlöse aus der Versteigerung übertrafen den Schätzpreis um das Dreifache. Für eine Rennrad-Sonderanfertigung des italienischen Rahmenbauers Dario Pegoretti wurden die meisten Gebote abgegeben. Verkauft wurde es Berichten zufolge dann für 22 000 US-Dollar.
Ein paar Wochen später kamen dann auch 400 Stücke aus David Bowies Sammlung an Kunst und Kunstgegenständen unter den Hammer. Auch diesmal überstiegen die Verkaufspreise den Schätzpreis um ein Vielfaches. Tatsächlich erzielten über die Hälfte der 59 Künstler, deren Werke versteigert wurden, Verkaufsrekorde. Star der Sammlung war jedoch ein Bild von Jean-Michel Basquiat, das Bowie 1995 für 78 500 GBP erworben hatte. Vor der Versteigerung wurde sein Wert auf 3,3 Millionen US-Dollar geschätzt. Verkauft wurde es letztlich für 8,8 Millionen US-Dollar.
Und schließlich ist da noch Marilyn Monroes berühmtes „Happy Birthday, Mr. President“-Kleid, das kürzlich für 4,8 Millionen US-Dollar verkauft wurde – Weltrekord für ein Kleidungsstück! Monroe trug das Kleid anlässlich der Feier zum 45. Geburtstag des US-Präsidenten John F Kennedy, bei der sie auch ihr berühmtes Geburtstagsständchen sang. Die hautfarbene, maßgeschneiderte Robe war angeblich so eng, dass sie darin eingenäht werden musste.
Quelle:
Art Provenance: What It Is and How to Verify It (o.J.). Abrufbar unter: http://www.artbusiness.com/provwarn.html
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